Ana­log fotografieren – Can­dee­land | Bochum

Mit The­men rund um die analoge Fotografie kön­nte man ganze Bände füllen. Unzäh­lige Fotografen/innen, Kam­er­atypen, Filme und son­stiges Equip­ment hat diese Kun­st im Laufe der Zeit her­vorge­bracht. Es gibt ebenso­viel the­o­retis­ches Wis­sen, mit dem es sich zu beschäfti­gen lohnt, wie auch prax­is­na­he The­matiken, welche untrennbar miteinan­der ver­bun­den sind. Ana­log zu fotografieren, hat für viele auch heute noch seinen Reiz.

Im Bere­ich der analo­gen Fotografie sind viele Enthu­si­as­ten längst über das bloße Fotografieren hin­aus. Alte Tech­nik wird aufgekauft, gewartet und repari­ert. Wer meint, die analoge Fotografie hätte das Zeitliche geseg­net, irrt sich gewaltig. Klar, die analoge Fotografie nimmt nicht mehr den Stel­len­wert in der Gesellschaft ein wie noch bis Anfang der 90er Jahre, den­noch ist sie als Vor­re­it­er der dig­i­tal­en Fotografie auch nicht wegzu­denken. Es gibt pos­i­tive Entwick­lun­gen, aber auch einige Schat­ten­seit­en. So sind beispiel­sweise durch den Weg­fall viel­er Filmher­steller die Preise für Filme in den let­zten Jahren sehr stark gestiegen.

Viele Anhänger des Analo­gen steck­en auch heute noch viel Herzblut in diese sehr ästhetis­che Form des Aus­drucks. Eine von ihnen ist Dani aus Bochum, in der Szene auch bekan­nt unter dem Namen Can­dee­land. Dani ist 55 Jahre alt und arbeit­et im Ver­trieb ein­er Finanzierungs­ge­sellschaft. Ihre große Lei­den­schaft ist die Film­fo­tografie und ihr Rauhaar­dack­el Pelle.

Foto: © Can­dee­land

Foto: © Can­dee­land

Aus Wup­per­tal nach Bochum

Aus Wup­per­tal stam­mend, ist sie der Liebe wegen nach Bochum gezo­gen, war bis dato aber auch schon öfter dort anzutr­e­f­fen. Im leg­endären „Zwis­chen­fall“ in den 80er Jahren, ein­er Diskothek, die auch heute noch vie­len Men­schen aus dem Ruhrge­bi­et ein Begriff ist.

Dani beze­ich­net sich selb­st als eine „Ana­log Native“. Das war sie schon immer, außer­dem gab es auch früher nix anderes. Mit 14 Jahren hat sie zur Kon­fir­ma­tion ihre erste Kam­era geschenkt bekom­men, eine Nikon SLR. Damit war der Grund­stein gelegt. Mit dieser Kam­era hat sie damals im Urlaub schon fremde Leute ange­sprochen, mit dem Wun­sch, diese zu porträtieren. Fast undenkbar in heuti­gen Zeit­en, in denen jed­er Angst vor ein­er Veröf­fentlichung hat und seinen Anspruch auf das Recht am eige­nen Bild erhebt.

Die Lust am Fotografieren hat sie mit der Ära der Dig­italk­a­m­eras größ­ten­teils ver­loren. Es hat sich für sie nicht richtig ange­fühlt. Magisch ange­zo­gen stand sie dann 2011 in Berlin vor einem Shop von Lomog­ra­phy. 2012 hat sie sich auf der Pho­tok­i­na endlich die „La Sar­di­na“ von Lomo zugelegt und etwas später in einem Muse­umsshop eine alte Polaroid-Kam­era. Diese bei­den Kam­eras haben in ihr eine wahre Sam­mellei­den­schaft her­vorgerufen. Kom­plett obsessed von den so per­fekt unper­fek­ten Fotos mit den Far­b­ver­schiebun­gen, Light Leaks und der groben Kör­nung. Seit­dem angesteckt fotografiert sie regelmäßig und wird unruhig, wenn sie mal eine etwas län­gere Zeit nicht dazu kommt, zu knipsen. Es fehlt dann der Spaß, auch mit den Leuten, die dieses Hob­by teilen.

Foto: © Can­dee­land

Foto: © Can­dee­land

Ruhrpott, das Herz auf der Zunge

Der Ruhrpott, den sie für seine Men­schen liebt, die ihr Herz auf der Zunge tra­gen, hat großen Ein­fluss auf ihre Bilder. Natür­lich muss man mit dieser Men­tal­ität umge­hen kön­nen. Nicht jed­er kommt mit dieser unge­filterten Art zurecht. Zudem inspiri­ert sie der Charme des Reviers. Über­all scheint Neues zu entste­hen, wobei die Spuren der Indus­triekul­tur noch deut­lich sicht­bar sind. Grüne Oasen, aus denen Stahlkon­struk­tio­nen zu wach­sen scheinen, zum Beispiel im West­park in Bochum oder in Essen die Zeche Zol­lvere­in. Auch die Halden mit ihren ver­schiede­nen Kunst­werken besucht sie regelmäßig für ihre Fotos. Es ist immer wieder erstaunlich, wie grün es hier ist, wenn man von ein­er der Halden über das Ruhrge­bi­et schaut.

Dani ist mit der Film­fo­tografie aufgewach­sen. Es hat sie schon als Kind fasziniert, wie aus diesen per­fori­erten Streifen let­ztlich Bilder entste­hen. Begeis­tert von diesem Handw­erk sind es die einzel­nen Arbeitss­chritte, die sie daran reizen. Von der Auswahl des Films über die Ein­stellmöglichkeit­en ver­schieden­er Kam­eras bis zum fer­ti­gen Abzug. Das Ein­le­gen des Films ist für sie schon etwas Beson­deres. Es gibt für sie nichts Span­nen­deres als die analoge Fotografie. Beson­ders auch das Warten darauf, ob die Fotos etwas gewor­den sind, während sich der Film in der Entwick­lung befind­et. Deshalb fotografiert sie, bis auf ein paar Bilder mit dem Handy für Social Media, auss­chließlich ana­log.

Die geschosse­nen Filme gibt sie ins Labor ihres Ver­trauens, von denen es mit­tler­weile zum Glück wieder einige gibt. Per E‑Mail wer­den ihr dann die fer­ti­gen Scans zugeschickt, sodass sie in Ruhe schauen kann, welche Bilder sie druck­en lässt. Früher hat sie ihre Neg­a­tive auch selb­st entwick­elt und dig­i­tal­isiert. Heute beschränkt sich der Ein­satz ihres Scan­ners, bis auf wenige Aus­nah­men, auf ihre Polaroid-Auf­nah­men.

Eine Schrankwand voller Kam­eras

Zum Ein­satz kom­men bei ihr fast alle ver­füg­baren Filme. Durch das Exper­i­men­tieren haben sich auch einige Lieblings­filme her­auskristallisiert, welche immer wieder nachgekauft wer­den. Beson­ders ange­tan ist sie vor allem von den Fil­men von Lomog­ra­phy mit ihren sehr knal­li­gen Far­ben. Schwarz-weiß fotografiert sie nicht so gerne. Ihre Kam­eras füllen eine kom­plette Schrankwand. Regelmäßig wer­den von ihr auch wieder welche verkauft, damit sie sich nicht noch extra einen Raum anmi­eten muss. Da jede Kam­era ihre Ästhetik hat, möchte sie sich nicht fes­tle­gen. Von der gün­sti­gen Plas­tikkam­era bis zur ein­sti­gen Profikam­era kom­men bei ihr alle zum Ein­satz. Geschossen wird mit Klein­bild, Mit­telfor­mat und Sofort­bild.

Foto: © Can­dee­land

Foto: © Can­dee­land

Das Schöne an diesem Hob­by ist, dass man es für sich selb­st in seinem eige­nen Rhyth­mus und Tem­po betreiben kann, dass daraus aber auch Kon­tak­te und Fre­und­schaften entste­hen kön­nen. Für Dani ist es bei­des, der Aus­tausch mit anderen „Nerds“ ist ihr dabei sehr wichtig. Auch organ­isiert sie gele­gentlich Fotowalks. Dieser „Hate“, den sie aus Foren der Dig­i­tal­fo­tografie ken­nt, begeg­net ihr dabei inter­es­san­ter­weise eher sel­ten. Seit ca. zwei Jahren stellt sie ihre Arbeit­en auch gemein­sam mit anderen Fotografen in Grup­pe­nausstel­lun­gen aus. Vor allem Polaroid-Col­la­gen. Beispiel­sweise Ende Juni wieder im Kun­st­bunker in Bochum während der „:unmit­tel­bar Sofort­bild­kun­st“.

Ana­log fotografieren, „Don‘t think, just shoot“

An Anfänger hat sie noch fol­gen­den Rat: Ein­fach machen! „Deine ersten 10 000 Fotos sind die schlecht­esten“ (Hen­ri Carti­er-Bres­son). „Don‘t think, just shoot“ ist eine der gold­e­nen Regeln der Lomog­ra­phy, der Rest kommt dann von ganz alleine. Man lernt in der analo­gen Fotografie nie aus und entwick­elt sich ständig weit­er. Wenn sie sich ihre alten Auf­nah­men anschaut, muss sie schon manch­mal lachen, wie viel bei ihr in den let­zten Jahren passiert ist und wie sie sich entwick­elt hat. Für den Anfang reicht allerd­ings eine sim­ple Point-and-Shoot-Kam­era vom Flohmarkt. Die meis­ten dieser Kam­eras funk­tion­ieren noch tadel­los. So kann man erst­mal aus­pro­bieren, ob man an dieser Tech­nik über­haupt Spaß hat und ob man geduldig genug dafür ist ana­log zu fotografiern.

Dani (Can­dee­land) find­et ihr auf Insta­gram oder auf der Seite von Lomog­ra­phy.

Für Infor­ma­tio­nen oder Anre­gun­gen schreibt uns gerne eine Mail an info@revierhund.de