Vor einiger Zeit habe ich im Literaturhaus Dortmund eine Lesung von Dietlind Falk zu ihrem Roman „No Regrets“ besucht. Der Roman ist bei hanserblau erschienen und hat es auf die Shortlist des Literaturpreises Ruhr 2024 geschafft. Da mir die Lesung sowie der Roman sehr gut gefallen haben und der Schauplatz der Geschichte der Ruhrpott ist, habe ich Dietlind einige Fragen gestellt. Im Folgenden das Interview von Dietlind Falk zu ihrem Roman „No Regrets“.
Für diejenigen, die dich noch nicht kennen: Kannst du etwas über dich erzählen, wer du bist und was du machst?
Ja klar: Ich bin Dietlind Falk, born and raised in Recklinghausen, von da nach Düsseldorf abgehauen, um Literaturübersetzen zu studieren. Bücher übersetze ich jetzt seit 15 Jahren, und zwei habe ich inzwischen selber geschrieben: „Das Letzte“ (2017), da ging es um eine Messie-Thematik, und eben „No Regrets“ (2023), einen Pott-Roman, der in einem Tattoo-Studio spielt. Wenn ich nicht am Schreibtisch sitze, bin ich mit meiner Punkband „Theilen“ im Probebunker oder mit meiner Hündin Peppie Gassigehen. Am dritten Roman arbeite ich fleißig.
Irgendwo im Ruhrpott
Hauptsächlich möchte ich über deinen letzten Roman sprechen, da die Handlung im Ruhrpott spielt. Kannst du uns einen kurzen Abriss über den Inhalt geben, worum es in „No Regrets“ geht?
Der Roman spielt, wie gesagt, in einem etwas in die Jahre gekommenen Tattoo-Studio irgendwo im Ruhrgebiet, wo zwei etwas abgehalfterte, aber insgesamt liebenswerte Haudegen so langsam ihre Felle davonschwimmen, weil sie keinen Bock haben, irgendwas zu verändern. So nach dem Motto: Maschinen müssen laut sein, hier läuft Thrash-Metal, und wenn mal was schiefgeht, Fresse halten. Aber weil sie ihre Rechnungen bald nicht mehr bezahlen können, knickt der ältere von beiden irgendwann ein und lässt, um mehr Kohle zu machen, eine jüngere Gasttätowiererin in den Laden einziehen, auf dass der Clash der Welten beginne. Die Neue hat ihren eigenen Problemberg im Schlepptau und einen vierten Jungtätowierer gibt’s auch noch, der seine eigene Story hat. Es wird viel tätowiert und viel gelabert und am Ende wird’s für alle brenzlig. Darum geht’s ungefähr!

Cover : No Regrets © Hanser Literaturverlag

Foto: © Dietlind Falk
Was hat dich dazu inspiriert, „No Regrets“ zu schreiben, warum hast du den Pott als Schauplatz gewählt?
Nun, es heißt ja, write what you know, und den Pott kenne ich eben, weil ich da wechkomm. Aber auch geschichtlich betrachtet spielt das Ruhrgebiet für die Tätowierszene eine zentrale Rolle, war früher schon Hochburg dieser Kunst (oder dieses Handwerks, choose your fighter). Die Tristesse, die einen im Pott durchaus mal umgibt, hat gut zu dem herumkrebsenden Studio gepasst, und da fühle ich mich auch immer noch wohler als im Recklinghäuser Nordviertel. Wie ich auf das Tattoo-Thema gekommen bin, weiß ich ehrlich gesagt nicht mehr, aber es bietet sich für einen Roman total an, weil Tattoos eben genau das meistens sind: Storys, Erinnerungen, wichtige Symbole. Und als ich erst mal angefangen habe zu recherchieren, bin ich komplett ins Rabbit Hole gefallen.
Mich hat fasziniert, dass es früher so einen krassen Kodex gab, der dann immer weiter aufgeweicht ist: Hände und Hals wurden nicht tätowiert, wenn der Körper noch frei war. Falsch herum auch nicht, also so, dass das Bild für den Träger/die Trägerin richtig herum war. Man durfte auch niemandem ganz genau auf die Finger schauen, weil die Tätowierer (damals zumeist Männer) keinen Bock hatten, dass immer mehr Leute das lernen. Dieses ganze Halbseidene hat natürlich auch seinen Reiz. Und die Frage, ob man mit Nostalgie und Ewiggestrigkeit weiterkommt oder irgendwann auch mit der Zeit gehen muss, passt ja im Grunde ab einem gewissen Alter auf uns alle.
Freundschaft und Zusammenhalt
Welche Rolle spielt die Kultur beziehungsweise auch das soziale Umfeld des Ruhrgebiets in der Handlung?
Definitiv eine sehr zentrale. Nach Ostfriesland oder Hessen hätte das Setting jedenfalls nicht so gut gepasst, keine Ahnung, ob’s da Büdchen gibt (no front!). Ich habe das Ruhrgebiet als einen Ort wahrgenommen, wo Klartext geredet wird, wo auch mal die Distanz und das Feingefühl fehlen, aber wenn dir an der Kasse der letzte Euro fehlt, stehen die Chancen gut, dass du ihn von hinten rübergereicht bekommst. Meine Charaktere passen gut in den Pott, weil sie auch so sind. Ich wollte einen Roman über Freundschaft und Zusammenhalt schreiben, in dem die Figuren genau im richtigen Moment aufeinandertreffen und zu einer Crew werden, bei der man sich denkt, jau, mit denen würd ich auch mal in der „Krise“ einen saufen gehen (so heißt ihre Stammkneipe).
Gibt es ein zentrales Thema, welches du mit deinem Roman ansprechen, oder eine bestimmte Botschaft, die du vermitteln möchtest? Was sollen Leser daraus lernen oder mitnehmen?
Der Roman ist an vielen Stellen sehr lustig, dabei überwiegen eigentlich ernste Thematiken, die ich jetzt nicht spoilern will. Luz, die weibliche Figur, hat mit ganz anderen Problemen zu tun als Muddy und Hänk, die ältere Riege, und am Anfang verstehen sie einander genau deshalb nicht. Aber in ihren Streitereien merken sie, dass es immer einen völlig anderen Blickpunkt gibt, der auch seine Daseinsberechtigung hat, und genau das ist ja das Ding: Unsere Sicht auf die Welt erweitert sich nur im Austausch mit Leuten, die andere Erfahrungen gemacht haben. Lesen ist ja nichts anderes. Klingt jetzt sehr heiti teiti, aber ich glaube, das ist trotzdem die Message, die mir wichtig war.
Gibt es bestimmte Musikalben, Autoren oder Bücher, die dich bei der Arbeit an „No Regrets“ inspiriert haben?
Sagen wir mal so: Ich habe viel AC/DC und Motörhead laufen lassen, das hat auch tatsächlich geholfen.

Foto: © Dietlind Falk

Foto: © Dietlind Falk
Dietlind über ihren Schreibprozess
Gab es Herausforderungen, die du beim Schreiben überwinden musstest, und kannst du uns einen Einblick in deinen Schreibprozess geben?
Ich hatte sehr viel Angst vor dem dünnen Eis, über eine Welt bzw. Szene zu schreiben, die mir nur bedingt vertraut ist. Ich bin ja nicht von oben bis unten zutätowiert und hänge ständig in Studios ab. Zum Glück haben sich einige sehr, sehr nette TätowiererInnen mit mir getroffen und mir viele Fragen geduldig beantwortet, und das Feedback nach Erscheinen war auch von TätowiererInnen gut, das war eine ziemliche Erleichterung. Aber abgesehen davon hat das Schreiben diesmal sogar teilweise Spaß gemacht. Man kann das schlecht erklären, die meiste Zeit ist es eine Qual, stundenlang dazusitzen und die Geschichte aus sich herauszupressen, aber ich muss es eben tun. Wenn ich eine Zeit lang nicht schreibe, werde ich total unausgeglichen und pampig. Wenn ich schreibe, stolpere ich nur morgens zur Kaffeemaschine und fange dann an und arbeite, so lange ich kann.
Welche Rückmeldungen hast du bis jetzt bekommen und war auch etwas Lustiges oder Überraschendes darunter?
Insgesamt war zum Glück alles sehr positiv. Man macht sich ja schon etwas in die Hose, ob das Buch floppt oder verrissen wird. Ausgerechnet in der Recklinghäuser Zeitung stand leider sowas wie: „Sicher keine Weltliteratur, aber gute Unterhaltung“, das fand ich etwas dämlich. Als wäre Weltliteratur die Messlatte. Nun ja. Aber viele LeserInnen haben geschrieben, wie gerne sie Zeit mit den Figuren verbracht haben und dass sie traurig waren, als das Buch vorbei war – da geht einem natürlich das Herz auf! Eine Hassmail habe ich bekommen, weil jemandem das Buch zu woke war, das habe ich als Kompliment gesehen.
Arbeitest du schon an etwas Neuem, und falls ja, kannst du uns schon etwas darüber sagen?
Ja, und nein 😀
Hast du zum Abschluss noch etwas, was wir nicht besprochen haben oder was du gerne loswerden möchtest?
Danke für das Interesse und viel Erfolg mit dem Blog!!

Foto: © Dietlind Falk

Foto: © Dietlind Falk
An dieser Stelle von uns eine unbedingte Empfehlung für das Buch „No Regrets” von Dietlind Falk. Vielen Dank für die Einblicke in deinen Roman und den Schreibprozess. Wir hoffen, möglichst bald wieder etwas von dir lesen zu können.
Einige Infos zu den Werken und Übersetzungen von Dietlind Falk gibt es auf Wikipedia. Auf der Seite von Hanser Literaturverlage geht es zum Autorenprofil und zum Buch No Regrets.
Titelbild: © Maks
Für Informationen oder Anregungen schreibt uns gerne eine Mail an info@revierhund.de