Ami­ga – Der Charme des Ret­rogam­ings | Duis­burg

Wer ken­nt sie noch, die großen Box­en mit den gesam­melten Flop­py-Disket­ten, deren Spe­icherka­paz­ität im Kilo­byte-Bere­ich lag? Wem sind Dataset­ten noch ein Begriff? In wie vie­len Kinderz­im­mern stand damals ein Com­modore 64, Atari ST oder Ami­ga 500 als Spi­ele­com­put­er? Nach und nach wur­den die Retro­com­put­er durch Spielekon­solen erset­zt, die Joy­sticks durch Gamepads und eine namhafte Hand­held-Kon­sole sollte mit dem Spiel „Tetris“ den gesamten Markt erobern.

Seit dieser Zeit ist im Bere­ich der Heim­com­put­er und Kon­solen so viel passiert, dass darauf einzuge­hen den Rah­men dieses Artikels völ­lig spren­gen würde. Wo sollte man anfan­gen und wo aufhören? Unzäh­lige Videospiele wur­den entwick­elt. Tech­nik hat den Markt erobert, die längst wieder von der Bild­fläche ver­schwun­den ist. Ent­ge­gen dem Hype gibt es unglaublich viele Nis­chen, mit denen es sich zu beschäfti­gen lohnt. Ein Ende dieser Entwick­lung ist noch lange nicht abzuse­hen und wird es sehr wahrschein­lich auch nicht geben.

Tino Men­zn­er und die Ret­ro­spiele

Möchte man jedoch den Charme des Ret­rogam­ings begreifen und in einem Artikel aufleben lassen, ist es das Beste, mit jeman­dem zu sprechen, der sich auf diesem Gebi­et wirk­lich ausken­nt. Ein­er dieser Men­schen ist Tino Men­zn­er, auch Tin­o­ma­nia genan­nt, 50 Jahre alt und ein waschecht­es Ruhrpott-Kind. Er beschäftigt sich seit dem frühen Kinde­salter mit Videospie­len, Com­put­ern und Kon­solen. Sein Haup­tau­gen­merk liegt dabei auf Retro-Kon­solen. Außer­dem ist er ein lei­den­schaftlich­er Samm­ler von Flip­per­auto­mat­en. Er ist Ver­anstal­ter der AMIGA RUHRPOTT CONVENTION und freier Redak­teur beim Ami­ga Ger­many Fan‘zine, aber dazu später mehr.

Als er mit sieben, acht Jahren Videospiele für sich ent­deck­te, war das ähn­lich der jun­gen Gen­er­a­tion heute erst­mal nur das Spie­len selb­st, das ihn reizte. Nach und nach tauchte Tino tiefer in die Materie ein, inter­essiert an Din­gen wie dem Sound, der Grafik, den Entwick­lerteams hin­ter den Spie­len und wie diese entste­hen. Seit­dem zieht sich diese Materie wie ein rot­er Faden durch sein Leben.

Er besitzt so einige Com­put­er und Kon­solen und hat sich 2010 auf­grund eines Umzugs sog­ar von ein­er größeren Samm­lung getren­nt. Seine favorisierten Gen­res im Bere­ich des Ret­rogam­ing sind Shoot-’em-ups, auch Shmups genan­nt. Ins­beson­dere Wel­traum-Shmups. Außer­dem Jump‘n‘ Runs und Point-and-Click-Adven­tures wie Loom oder Flight of the Ama­zon Queen. Zu eini­gen Spie­len wie Mon­key Island oder Tur­ri­can beste­ht bei ihm auf­grund der Kind­heit auch eine emo­tionale Verbindung.

Der Markt und die Szene

Anders als man vielle­icht ver­muten würde, ist die Szene in diesem Bere­ich riesig. Alleine die Ami­ga-Face­book-Gruppe zählt 11.000 User. Rech­net man die Leute dazu, die sich mit Spielekon­solen im All­ge­meinen beschäfti­gen, ist die Szene natür­lich unfass­bar groß und fast unüber­schaubar. Die Retro­halle auf der Gamescom, auf der Tino und seine Leute ausstellen, platzt an jedem Tag der Ver­anstal­tung aus allen Näht­en.

Viele Leute aus der Retro-Szene sind unge­fähr Mitte der 1970er bis Mitte der 1980er Jahre geboren. Deren Kinder bekom­men diese Fasz­i­na­tion natür­lich auch mit, was dazu führt, dass der Alters­durch­schnitt in diesem Seg­ment sinkt. Außer­dem meint Tino, der auch mod­ernere Spiel­sys­teme besitzt, dass viele Klas­sik­er neu aufgelegt und Remakes pro­duziert wer­den. Der Markt ist zwar nicht so groß wie bei aktuellen Top­titeln für die PlaySta­tion oder XBOX, aber defin­i­tiv vorhan­den. Und dieser möchte natür­lich auch bedi­ent wer­den.

Die AMIGA RUHRPOTT CONVENTION

Der Ami­ga ist 1985 auf den Markt gekom­men. Die Ami­ga-Par­ty ist eine leg­endäre Ver­anstal­tung, welche dieses Jahr gemein­sam mit dem Ami­ga ihr 40. Beste­hen feiert. Diese fand in Mönchenglad­bach statt und gab es bis auf die Zeit der Pan­demie fort­laufend. Tino und seine Fre­unde besucht­en dann die 37. Ami­ga-Par­ty, als dies wieder möglich wurde. Sie waren begeis­tert, wie schön die Ver­anstal­tung ins­ge­samt war. Das Tre­f­fen Gle­ich­gesin­nter, mit denen man sich über sein lieb­stes Hob­by aus­tauschen kon­nte, hat­te etwas sehr Per­sön­lich­es.

Auf dem Weg zurück kam Tino und seinem Kumpel CZ-Tunes die Idee, selb­st ein kleines Tre­f­fen zu organ­isieren, um nicht ein ganzes Jahr bis zur näch­sten Ami­ga-Par­ty warten zu müssen und damit die Zeit zu über­brück­en. Was als kleines Tre­f­fen mit 10 bis 20 Leuten geplant war, nahm durch die Wer­bung in ein­schlägi­gen Foren immer größere Aus­maße an. Da noch ein Name fehlte und das Ganze etwas Ruhrpott-Charak­ter bekom­men sollte, fiel die Wahl auf AMIGA RUHRPOTT CONVENTION (ARC). Das hört sich erstens lock­er an, zweit­ens sind Tino und seine Leute Ruhrpott-Kinder und drit­tens find­et die Con­ven­tion eben auch im Pott statt. Deshalb gibt es auf der Con­ven­tion auch ganz klas­sisch Pommes-Cur­ry­wurst.

Daraus ist dieses Event ent­standen, das inzwis­chen auch wirk­liche Szene­größen nach Duis­burg zieht. Dieses Jahr war unter anderem Petro Tyschtschenko zu Besuch, um einiges zu erzählen. Er wurde 1990 zum Direk­tor Inter­na­tion­al Logis­tik und Mate­ri­al­wirtschaft ernan­nt. Zu seinen Auf­gaben gehörte nun die weltweite Waren­ver­sorgung mit Fer­tig­waren­pro­duk­ten der Fir­ma Com­modore Inter­na­tion­al. Er war dem Präsi­den­ten aller Com­modore-Gesellschaften, Meh­di Ali, direkt unter­stellt. Fac­tor 5, die das leg­endäre Tur­ri­can für den Ami­ga entwick­elt haben, Alin­ea Com­put­er, ein großer Hard­ware­liefer­ant, und weit­ere großar­tige Pro­gram­mier­er und Entwick­ler waren anwe­send. Es ist mit­tler­weile eine beein­druck­ende Ver­anstal­tung gewor­den.

Auch die Ver­net­zung auf über­re­gionaler Ebene funk­tion­iert sehr gut. Leute, die die Con­ven­tion besuchen, kom­men aus allen Teilen Deutsch­lands. Zum Beispiel aus Nord­deutsch­land, wie Ham­burg und Lübeck, aber auch aus Süd­deutsch­land wie München. Sog­ar aus Hol­land, der Schweiz und Öster­re­ich. Jedes Jahr gibt es zur Con­ven­tion eine Koop­er­a­tion mit dem Duis­burg­er Hotel „Gasthof zur Linde“, von dem exk­lu­siv Zim­mer ange­boten wer­den, meint Tino. Das ist region­al gese­hen ein wirk­lich faszinieren­des Event für Retro- und Gam­ing-Begeis­terte, von denen viele natür­lich auch im Ruhrge­bi­et ansäs­sig sind. Da es zudem sehr zen­tral liegt, ist es auch möglich, das Ganze in diesem Aus­maß im Pott zele­bri­eren zu kön­nen.

Die Pla­nung der ARC 2025 nahm ca. 8 Monate Zeit in Anspruch. Ein Event ein­er solchen Dimen­sion benötigt einiges an Vor­bere­itung. Es basiert auf einem Pro­jekt mit dem Jugendzen­trum Area 51 in Duis­burg-Rhein­hausen, welch­es dadurch auch finanziell unter­stützt wird. Alle Ein­nah­men kom­men diesem für Kinder- und Jugen­dar­beit zugute. Allerd­ings ist die ARC mit dem Jugendzen­trum als Ver­anstal­tung­sort und ein­er Kapaz­ität von ca. 100 Besuch­ern let­ztes Jahr an ihre Gren­zen gestoßen.

Das Wet­ter an Tag der Ver­anstal­tung war her­rlich. Mit Tem­per­a­turen um die 30 Grad macht­en auch wir uns voller Vor­freude auf den Weg Rich­tung Duis­burg-Rhein­hausen. Der neue Ver­anstal­tung­sort war die evan­ge­lis­che Kirche, direkt gegenüber des Jugendzen­trums. Die Räum­lichkeit­en des Kirchen­trak­tes dien­ten dabei als Auswe­ich­möglichkeit. Ein Konzept, welch­es let­z­tendlich aufging. Es gab einen schö­nen Außen­bere­ich mit Bier­garten­flair, Bierzelt­gar­ni­turen, Snacks und Getränken. Im Innen­bere­ich mas­sig Soft­ware, Hard­ware und Com­put­er. Für Lieb­haber gab es an den Stän­den einiges Schönes zu erste­hen und am Nach­mit­tag fand eine Ver­losung statt, an der man mit der Ein­trittskarte automa­tisch teil­nahm.

Da es wesentlich mehr Platz für Besuch­er, Aussteller und Präsen­ta­tio­nen als noch 2024 gab, besucht­en in diesem Jahr ca. 250 Per­so­n­en die ARC. Die Stim­mung war entspan­nt, aus­ge­lassen und hat­te etwas Famil­iäres. Hat­te man als Laie Fra­gen zur Tech­nik, wur­den diese geduldig beant­wortet. Anson­sten wurde viel gefach­sim­pelt und sich aus­ge­tauscht. Ins­ge­samt wurde sehr viel Herzblut in diese Ver­anstal­tung gesteckt und noch Gutes im Bere­ich der Kinder- und Jugen­dar­beit geschaf­fen. Das ver­di­ent Anerken­nung, zumal die Ver­anstal­ter auch sehr viel Freizeit investieren.

Das Ami­ga Ger­many Fan‘zine

Mag­a­zine wie das Return, ein Retro-Mag­a­zin aus Deutsch­land, und das Future-Mag­a­zin, ein reines Ami­ga-Medi­um, waren vor Ort. Natür­lich durfte auch das Ami­ga Ger­many Fan‘zine – von Fans für Fans, in dem Tino (Tin­o­ma­nia) selb­st freier Redak­teur ist – nicht fehlen. Dieses ist aus ein­er Bier­laune her­aus ent­standen. Her­aus­ge­ber ist Andi Bren­ner und der Chefredak­teur Mar­tin Beck­er (Pit­trock). Da man sich ständig im Netz aus­tauscht, kam ihnen die Idee, einige Berichte auch zu veröf­fentlichen. Da es viele englis­chsprachige, aber kaum deutschsprachige Mag­a­zine gibt, ist das Ami­ga Ger­many Fan‘zine ent­standen. Es bestand rel­a­tiv schnell eine große Nach­frage. Nicht zulet­zt deshalb, da beispiel­sweise Hard­wareprob­leme für viele Leute im Deutschen bess­er nachzu­vol­lziehen sind. Ange­fan­gen hat es damit, dass Tino Mar­tin unter­stützt und ihm Infor­ma­tio­nen zuge­spielt hat. Seit der 7. Aus­gabe ist er festes Redak­tion­s­mit­glied und neben dem Schreiben auch ver­ant­wortlich für die Öffentlichkeit­sar­beit.

Tino Men­zn­er am Stand des
Ami­ga Ger­many Fan’zines
auf der Gamescom 2024

Foto: © Tin­o­ma­nia

Tin­o­ma­nia am Stand des Ami­ga Ger­many Fan’zines auf der Gamescom 2024

Foto: © Tin­o­ma­nia

Die Redak­tion beste­ht aus ins­ge­samt sechs Per­so­n­en. Es wird sehr viel Wert auf Qual­ität gelegt. Am Zine arbeit­en ver­schiedene Leute mit unter­schiedlichen Exper­tisen daran, das Mag­a­zin nach vorne zu brin­gen. Es gibt zwei Lay­outer für die grafis­che Umset­zung. Mit­tler­weile ist das Mag­a­zin, welch­es vier­mal im Jahr, also ein­mal pro Quar­tal, erscheint, bei der 15. Aus­gabe ange­langt.

The­ma­tisiert wer­den alle Bere­iche und Entwick­lun­gen des Ami­ga von früher bis heute. Es gibt auch Dinge, die in der Ver­gan­gen­heit nicht aufgek­lärt wer­den kon­nten. Auch diese wer­den im Mag­a­zin hin­ter­fragt. Zudem, was beispiel­sweise Entwick­ler von damals heute machen, ob es Pro­jek­te gibt, an denen sie derzeit arbeit­en etc. Der Inhalt beste­ht aus vie­len Inter­views, Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen und auch eini­gen Fun­facts. Schön ist, dass es in gedruck­ter Form her­aus­gegeben wird. Bis auf die ersten vier Aus­gaben, welche für einen kleinen Betrag online ein­se­hbar sind, erscheint das Mag­a­zin auss­chließlich als Paper­print.

Retro­com­put­er und mod­erne Tech­nik

Neue Ami­ga-Soft­ware und ‑Hard­ware wer­den auch heute noch entwick­elt und sind über Ver­trieb­swege im Inter­net gut zu bekom­men. Teil­weise wer­den sie als Boxed-Edi­tion ange­boten. Basierend auf ein­er Grund­hard­ware, beispiel­sweise eines klas­sis­chen Ami­ga 500 oder 1200, haben diese sich im Laufe der Zeit natür­lich weit­er­en­twick­elt. Als Tino 1991 seinen ersten Ami­ga sein Eigen nen­nen kon­nte, war zum Beispiel an USB noch gar nicht zu denken. Heute gibt es USB-Schnittstellen, die mit­tels Zusatz­port an den Ami­ga angeschlossen wer­den. Es gibt Kom­pakt-Flashkarten als Fest­plat­ten, CD-ROMS, Beschle­u­nigerkarten, Tur­bokarten mit Zusatzprozes­soren, um ein paar Beispiele zu nen­nen. Einiges war vor 30 Jahren noch nicht zu ahnen.

Heute ist es möglich, mit einem 30 Jahre alten Com­put­er über WLAN ins Inter­net zu gehen, einen Mon­i­tor über HDMI anzuschließen und einen Rasp­ber­ry Pi als Zusatzrechen­leis­tung und Beschle­u­niger zu instal­lieren. Die Entwick­lung in diesem Bere­ich ist sehr weit fort­geschrit­ten. So hat jemand aus Duis­burg eine voll­w­er­tige Sound­karte entwick­elt, die let­ztes Jahr auf der ARC vorgestellt wurde. Eine Sound­karte, wie sie in den 90ern am PC ver­wen­det wurde, auf dem neuesten Stand der Tech­nik.

Wie kann ich in das The­ma ein­steigen?

Für Leute, die in dieses The­ma rein­schnup­pern möcht­en, sind die Ami­ga-Face­book-Gruppe sowie das Ami­ga Ger­many Fan‘zine eine wärm­ste Empfehlung. Tino und die anderen Mitwirk­enden ver­suchen, den Inter­essen­ten auf Augen­höhe zu begeg­nen und sie zu unter­stützen. Sie leg­en sehr viel Wert auf einen fre­undlichen Umgang miteinan­der, wie Ruhrpot­tler eben sind. Natür­lich sind die Mit­glieder der Gruppe über ganz Deutsch­land ver­streut und bieten ein großes und starkes Net­zw­erk. Das nicht nur im Bere­ich des Retro-Gam­ings, son­dern ganz all­ge­mein in der Welt der Videospiele, Com­put­er und Kon­solen. Jed­er, der Inter­esse hat, sollte sich also nicht scheuen, das Gespräch zu suchen, ob per­sön­lich am Stand auf der Gamescom oder über die sozialen Medi­en. Gerne stellen wir vom REVIERHUND. auch den Kon­takt für euch her.

AMIGA RUHRPOTT CONVENTION — In eigen­er Sache

Zu erwäh­nen ist noch, dass für die AMIGA RUHRPOTT CONVENTION ein Spon­sor oder Wer­bepart­ner gesucht wird. Falls sich ein Unternehmen aus dem Pott dazu berufen fühlt, das Ganze zu unter­stützen, wäre das eine gute Sache, und let­z­tendlich ist es auch noch für einen guten Zweck.

Der REVIERHUND. bedankt sich an dieser Stelle nochmal bei Tino für das Gespräch und die Ein­ladung auf die AMIGA RUHRPOTT CONVENTION. Wir haben dort einen wun­der­vollen Tag ver­bracht und einiges mitgenom­men, um etwas tiefer in die Materie einzu­tauchen. Da nach der ARC auch vor der ARC ist, wür­den wir uns freuen, die Ver­anstal­tung auch im näch­sten Jahr besuchen zu kön­nen. Diese wird es im näch­sten Jahr defin­i­tiv geben. Die Gespräche zur Ter­min­find­ung laufen bere­its. Für Infor­ma­tio­nen oder Anre­gun­gen schreibt uns gerne eine Mail an info@revierhund.de

Fotos (bis auf Tinomania/Gamescom): © Maks